aus vielen Möglichkeiten

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 wird eine >>neue Wirklichkeit<<

Wir phantasieren und träumen nun schon an die 8-10 Jahre von einem alternativen Leben. Über 4 Jahre davon waren wir aktiv auf der Suche nach Gemeinschaft und willig eine Gemeinschaft aufzubauen.

Unsere ersten Begegnungen alternativ lebender Menschen mit ähnlichen Zielen und Interessen hatten wir 2012 auf Teneriffa. Es entstanden Freundschaften und manche zerbrachen auch wieder. Wir lernten unterschiedliche Menschen kennen, niemand war wirklich schlecht, viele echt nett und manche haben wir in unser Herz geschlossen. Aber was die Gemeinschaftsbildung angeht, entwickelte sich erst alles anders und später entwickelte sich leider nichts mehr… jedenfalls nichts Realistisches. 
Klar, auf Teneriffa leben wäre nett gewesen - immer Gevatter Teide an der Seite und den freien Atlantik vor den Füßen. Durch das milde Klima kann man als Selbstversorger ganzjährig das Land bewirtschaften... und man wäre weit genug weg von den Kriegstreibern in Europa. Das waren jedenfalls meine Argumente dafür, die 5000 Km in Kauf zu nehmen und ein anderes Leben in einem anderen Land zu beginnen.

Seit 2014 schauen wir uns aktiv nach Gemeinschaften in der Region und im Land um und mancher Kontakt hat echt runtergezogen. Da geht man freundlich und offen auf Menschen zu und plötzlich beißt dich so ein Naziveganer, weil du neben Gemüseanbau auch Interesse an Hühnerhaltung und Fischzucht geäußert hast. Booaaar… Entschuldigung! Aber auch andere Erstkontakte, wie mit der KuBiZ WG, waren eine Riesenenttäuschung. Stellenweise verlor ich den Glauben daran, dass es eine Gemeinschaft für uns geben kann. Wir hatten nie besondere Ansprüche oder hohe Erwartungen, waren immer offen für Neues und Tolerant gegenüber Anderslebende. Trotzdem schien es so, dass wir wohl einfach zu normal waren?
Wahrscheinlich auch wegen dieser Erfahrungen und aus Mangel an Alternativen, blieb Teneriffa, bis zur Geburt unseres Sohnes im Juni 2015, für mich eine Option. Ich war immer noch bereit mich auf Experimente einzulassen, trotz aller ungünstigen Voraussetzungen. Noch 2 Monate vor Geburt flogen wir das letzte Mal nach Teneriffa und waren auf der Hundefinca. Aber der Zustand der Gebäude verschlechterte sich zusehends… im Sommer mag das noch gehen, aber ob Frühjahr, Herbst oder Winter, es wäre verantwortungslos dort mit einem Kleinkind zu leben.

Im Januar 2016 fand ich dann auf www.pluswgs.de die Anzeige der Siedlergemeinschaft. Wir hatten zwar eher auf eine ländliche Gemeinschaft in Brandenburg oder MeckPomm spekuliert, aber Vogtland ist doch auch geil… und nur ca. 3 Stunden von Berlin entfernt. Das ist für ein gutes Verhältnis von Enkel und Großeltern immer noch besser als die 5000 km auf die Kanaren.
Im Angebot der Siedlergemeinschaft erkannte ich sofort die realistische Basis. Die wichtigsten Ressourcen sind bereits vorhanden, d.h. Land für die Selbstversorgung und preiswerter Wohnraum. Wenn jetzt noch die Menschen zueinander passen, dann könnte das in absehbarer Zeit was werden. Denn auch die weitere Kurzbeschreibung der Siedler bot viele Schnittmengen und ähnliche Interessen und Ziele. Also hab ich Kontakt aufgenommen und auch ziemlich schnell eine echt liebe Antwort erhalten. Eigentlich wurde ein einzelner Mann oder ein Paar für die kleine Wohnung in der im Aufbau befindlichen Gemeinschaft gesucht. Ich denke, ich war mit 48 alt genug, dass die Siedler uns auch als Familie mit Kleinkind eingeladen haben. Unser erstes Kennenlernen war sehr herzlich, es war Januar, nass und kalt und trotzdem war die Umgebung sehr schön dort. Wir waren im Teichwärterhaus untergrabacht, eine Ferienwohnung einige Autominuten von der Siedlergemeinschaft entfernt.

Teichwärterhäuschen Wir waren ca. 4 Tage dort, trotzdem blieb viel zu wenig Raum und Zeit für intensivere Gesprächen.  Die Siedler hatten ihren Alltag und wir hatten ein 6 Monate altes Baby im Gepäck. Außerdem gab es echt viel zu sehen und ich hatte so meine Probleme alles aufzunehmen, oder mich räumlich, wie zeitlich zu orientieren. Wo war die Werkstatt, welches Haus ist was, wie geht’s zum Klo, was gehört dazu oder wo bin ich hier überhaupt?!

Was mich früh verunsicherte war die Tatsache, dass die Siedler von uns ein klares JA und für immer hören wollten und das bereits jetzt. Denn für uns war bis dahin klar, dass es natürlich eine Art Probezeit geben wird. Ob für ein paar Wochen oder Monate, auf jeden Fall mehr Zeit zum Kennenlernen. Zumal wir in der glücklichen Situation waren, dass wir durch die Elternzeit und meine berufliche Flexibilität bis zu 1,5 Jahren hätten Probewohnen können. Ganz nach Schiller; drum prüfe wer sich ewig bindet.
Abends, wenn ÖkoHippie mit unserem Baby schon im Bett lag, saß ich noch lange im Feuerschein vor dem warmen Kamin und legte die Karten vor meinem inneren Auge auf den Tisch. Ich verglich das Blatt mit denen aus der Vergangenheit und kalkulierte unsere Chancen auf ein besseres Blatt. Die Menschen hier: wir kennen sie kaum, können aber schon sagen, dass sie herzlich sind und nett. Aber das waren die Menschen in der Vergangenheit auch meistens... Hmmm… wer wir sind und ob wir zusammen harmonieren, zeigt sich immer erst im Laufe der Zeit… und am deutlichsten im Alltag und in Krisen. Ich teste ja gerne mal die Kritik- und Streitfähigkeit meines Gegenübers, aber hier auf Zwang etwas zu konstruieren, fand ich keine gute Idee. Was ich bei den Menschen hier aber von Anfang an genossen habe, war diese angenehme Normalität. Kein esoterisches Tamtam, kein pseudo-politisches Gehabe und kein Essensterrorist auf Mission… halt keiner von diesen Bessermenschen als Überzeugungstäter. Ich will solche Leute nicht verurteilen… Gott bewahre. Ich will auch weiterhin von Esoterikern interessante Meditationstechniken lernen, oder vom überzeugten Veganer neue vegane Gerichte, die ich nachkochen kann. Ich quatsch auch mit politisch verwirrten, nur um zu wissen, wie ich die Welt nicht sehen will… ABER.. ich hab kein Bock mit solchen Leuten zusammen zu leben. Die Siedler boten grundsätzlich eine gute Mischung unterschiedlicher aber normaler Menschen. Doch das ist auch keine Garantie, dass wir dauerhaft gut miteinander auskommen.
Also fragte ich mich, welche Risiken wir eingehen, wenn wir uns schnell und „unüberlegt“ für die Siedler entscheiden? Ein Umzug kostet immer Geld, Zeit und Kraft und egal welcher Gemeinschaft wir uns anschließen, das Risiko des Scheiterns bleibt bestehen. Als klaren Vorteil sehe ich, dass hier bereits alles vorhanden ist… vor allem Land zur Bewirtschaftung und Wohnraum. Hey was will ich mehr? Ich brauch ein nettes warmes Nest für meine Familie und mich. Land für Anbau und Tierhaltung und ein paar freundliche Menschen um uns, die ähnliche Interessen haben. Alles was da noch oben drauf kommt ist doch schon Bonus und hier kommt eine Menge drauf. Es gibt ja nicht nur das Land und den Wohnraum, auch sonst ist alles vorhanden, Werkstatt, Maschinen, ein neues ökologisches Heizsystem… im Grunde ist es schon ein kleines Schlaraffenland und im Vergleich zu anderen im Aufbau befindlichen Gemeinschaften setzt man sich hier schon fast ins gemachte Nest.

Wir sind also mit einem recht unsicheren Gefühl wieder nach Berlin zurück. Das erste Kennenlernen war herzlich, aber eben viel zu kurz und damit auch zu oberflächlich. Trotz der Unsicherheiten waren wir uns einig, dass wir nichts zu verlieren haben und auch ohne Probewohnen in dieses Experiment springen wollen. Alle Ampeln standen auf grün, bis wenige Tage nach unserer Rückkehr in Berlin eine Mail von den Siedlern kam… und zwar eine Absage. Mich hätten die Siedler genommen. Aber die Unsicherheit von ÖkoHippie lies bei den Siedlern die Vermutung aufkommen, dass sie dort auf Dauer unglücklich wird und einige Wochen oder Monate Probewohnen wollten die Siedler nicht. Mir sind echt ein paar Tränen die Wangen runtergerollt und wir waren so unglaublich enttäuscht. ÖkoHippie fühlte sich zusätzlich auch noch schuldig, weil sie mit ihren offenen Zweifeln eine realistische Zukunft bei den Siedlern versaut hat. Was totaler Quatsch ist. Denn ich halte es sogar für wichtig und richtig, dass Zweifel und Ängste offen ausgesprochen und gemeinsam besprochen werden, vor allem wenn man miteinander in Gemeinschaft leben will. ÖkoHippies Zweifel waren nicht in Stein gemeiselt – ein kurzes Telefonat mit ihrem Bruder haben diese nämlich ganz schnell in Wohlgefallen aufgelöst.
Sei es drum, mit einer Ablehnung muss man immer rechnen. Über die Ablehnung an sich war ich gar nicht so enttäuscht, sondern lediglich den Grund. Tief getroffen aber war ich von der Endgültigkeit, denn die Mail endete mit einem „Gott segne euch“… Das verstand ich nun gar nicht. Schließlich haben wir ähnliche Ziele und Interessen… und sollten schon deshalb im lockeren Kontakt bleiben. Ich vermutete daher, dass die Siedler uns nicht mal den wahren Grund für die Absage genannt haben.

Mich hat die Geschichte mit den Siedlern für einige Wochen wieder total runtergezogen und ich hab nächtelang den Berliner Wohnungsmarkt durchforstet. Wir können nicht ewig mit drei Personen in dieser Einzimmerbutze wohnen bleiben und hoffen, dass wir irgendwann Anschluss an eine Gemeinschaft finden. Mit einer neuen Wohnung wird aber nicht nur unser Erspartes für die Neueinrichtung angegriffen, wir müssen dann auch jeden verdammten Monat rund 1000 € aufbringen, nur um in der Stadt ein Dach über dem Kopf zu haben. D.h. ich muss mehr arbeiten und wir haben weniger Zeit für die Gemeinschaftsfindung und unsere Herzensziele. Es ist in unserer kleinen 1-Zimmerwohnung nicht ungemütlich, aber es ist schon sehr eng zu dritt und vieles ist halt noch nicht kinderfreundlich eingerichtet. Ich hab daher schon lange eine Riesensehnsucht für meine Familie und mich ein passendes Nest zu bauen und endlich irgendwo anzukommen – ein neues zu Hause finden und wieder sein und tun, statt immer nur zu suchen und zu hoffen.

Mit Beginn des Frühlings verblasste meine Starre über diese Enttäuschung und mein Mut wurde von der Frühlingssonne wieder angefacht. Wir werden dieses Jahr noch nutzen und machen im Sommer einen Tournee und wenn wir bis zum Herbst immer noch keinen Anschluss an eine Gemeinschaft gefunden haben, können wir uns immer noch eine scheißteure Wohnung in der Stadt suchen und wie Idioten leben.
Die Idee war, wir fahren auf Festivals und besuchen Gemeinschaften, zum Kennenlernen und Kontakte knüpfen. Eine Art Familien-Rock-Sommer-auf-Gemeinschaftssuche. Wir sind offene Menschen und da Draußen gibt es noch viel mehr Menschen, mit ähnlichen Zielen und Interessen und irgendwo passen wir auch dazu. Wir müssen noch einmal richtig Krach machen, auf uns Aufmerksam machen und uns zeigen – hier sind wir, wo seid ihr?

Daraus entstand dann der Plan für unsere Tour auch das Netz und die asozialen Medien zu nutzen. Aus 3 Imago-Zellen wurden die „Tres Imagos“ und waren auf der Flucht vor dem Leben in der Stadt und auf der Suche nach ihrem Refugium.
Wir bastelten einen Flyer, legten uns eine ungefähre Tour fest und brauchten unbedingt noch ein familienfreundliches Auto. Jetzt hing ich täglich 24 Stunden auf Autoscout & Co rum auf der Suche nach einen passenden Fluchtwagen. Erst zog sich alles wieder hin, bis wir ein neues Fahrzeug für uns gefunden haben und dann überschlugen sich die Ereignisse.
Die Siedlergemeinschaft hat sich wieder gemeldet! Wir planten unsere Tour um und fuhren sehr kurzfristig ins Vogtland. Eigentlich war dieser 2. Besuch im Sommer eine Wiederholung vom Januar. Die Zeit war viel zu kurz, alle Gespräche immer noch viel zu oberflächlich und mit Kleinkind war es mega-anstrengend. Nicht destotrotz gab es viele schöne Augenblicke und letztendlich sind wir mit einem Mietvertrag wieder nach Berlin gefahren. Wir haben uns noch 2 Woche Zeit gelassen und den Mietvertrag dann unterschrieben.
im Sommer an Käppels TeichenEs gäbe an dieser Stelle sicher noch vieles über die Siedler, unsere Aufenthalte in Buchwald und unsere gemeinsamen Ziele zu schreiben. Es ist nicht alles perfekt, aber das hat auch niemand erwartet. Es gibt einiges, was auch gerne etwas anders sein könnte, aber es gibt auch vieles was besser ist als erhofft. Gemeinschaft und Gemeinschaftsbildung ist keine Einbahnstraße und ich freu mich drauf, wie wir uns als Gemeinschaft entwickeln werden und welche Projekte wir in den nächsten Jahren zusammen realisieren werden.

Es wird ein spannendes, interessantes, lehrreiches und vor allem freudiges Jahr 2017...

wenn zum Frühjahr unser zweiter Sohn auf die Welt kommt...

und wir ab März/April im Vogtland unser Refugium in einer Gemeinschaft ziehen.

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