Die Vision
eine von >>vielen Möglichkeiten<<
Stell dir vor, da gibt es einen Ort, vielleicht eine alte Finca, etwa 800 Meter über Icod de Los Vinos im Norden von Teneriffa. Es ist eine der steilsten Straßen auf der Insel, mit Blick auf das Meer und im Hintergrund der direkte Blick auf Gevatter Teide.
Zur Finca gehören mehrere Terrassen am Berg mit ca. 2 ha Land und einigen Gebäuden. Eines davon ist ein recht altes Haus, aber schon ziemlich herunter gekommen. Die Dächer sind undicht, teilweise einsturzgefährdet und die Räume sind nur mit Abstrichen und je nach Jahreszeit bewohnbar. Es gibt noch einige Nebengebäude, die weder legalisiert sind, noch zum wohnen bestimmt waren.
Bis vor einigen Jahren lebte hier eine Dame aus Deutschland. Wahrscheinlich ging irgendwann ihr Glaube an die Menschen vor die Hunde, denn den letzten Teil ihres Lebens widmete sie gequälten Vierbeinern.
Bisher sind die Besitzverhältnisse der Finca ungeklärt. Es gibt den Pflichtteil der Erben und das Testament, in dem der Besitz komplett dem ansässigen Tierheim vermacht wurde. Daher leben auch heute noch ca. 15 Hunde auf der Finca und müssen versorgt werden. Es gibt einige größere Hundezwinger und durch die vormals vielen Hunde hat sich hier eine Rattenplage breitgemacht und der Rest der Finca ist ziemlich verwildert. An diesem Ort lernten sich 4 Menschen kennen:
(wobei auch diese Bekanntschaft eine Vorgeschichte hat, die ich vielleicht an anderer Stelle erzähle) ÖkoHippie (32), Angestellte, arbeitet in der Pflege mit geistig und körperlich behinderten Menschen, ausgebildete Musik- und Klangtherapeutin mit einem Fabel für die Hippiebewegung und liest gern Thriller. Chris (70), Rentner, exzellenter Koch und ein virtuose im behutsamen Umgang mit Pflanzen, Tieren und Menschen. BioRocker (47) selbstständiger Informatiker, hört gern beim Bauen Rock, kann aber auch die leisen Töne und Crowfoot, (47), LKW-Fahrer, Invalidenrentner, Pferdeflüsterer, Hobby-Imker und immer mit dem Pfeifchen am Start.
Manche sagen, die Finca hätte ein miese Karma und dennoch und trotz der eher schlechten Voraussetzungen und Bedingungen beschlossen die Vier hier ihre Vision von einer Gemeinschaft zu realisieren. CrowFoot hatte von der Besitzerin wenigstens einen Mietvertrag mit unbefristetem Wohnrecht und dieser gilt solange, bis die Erbschaft geklärt ist. Wann dies passiert bestimmen die Mühlen der Justiz, die bekanntlich langsam mahlen, vielleicht in 2 Monaten, aber vielleicht auch erst in 2 Jahren?!
Wie könnte es weitergehen?
Als erstes wurde ein gemeinnütziger Verein gegründet, vor allem um die besonderen Anliegen zu formulieren und dem ganzen Projekt eine Basis zu geben. Dann legten sie auch schon los. Mit möglichst wenig Investitionen, viel Arbeit und Flickschusterei wurde der Zustand der Gebäude und ihrer Bewohnbarkeit stetig verbessert.Die verwilderten Terrassen wurden zur Nutzung hergerichtet und mit den natürlichen Pflanzenresten wurde eine erste Version für ein Biomeiler gebaut. Die freien Terrassen boten sich geradezu an, dort Gewächshäuser aus Zivilisationsmüll zu errichten. Das Sammeln von Re- und Upcycling-Materialien war anfangs recht aufwendig. Aber richtig gut lief es, als wir direkt im Hafen von Santa Cruz von der Folien bis zu Einwegpaletten alles geschenkt bekamen. Wir konnten es verwenden und der Hafen war einen Teil seines Mülls los. Die Gewächshäuser wurden zügig bepflanzt und deckten schnell einen Teil des Eigenbedarfs und Überschüsse wurden zum Großteil verschenkt. Dadurch entstanden wundervolle Beziehungen und Partnerschaften zu den nächsten Nachbarn und neuen Freunden weltweit. Mit der breiten Unterstützung bauten wir ebenfalls wieder aus Müll eine erste Aquaponic-Anlage. Wir züchteten seither Speisefisch und versorgten Teile der Gewächshäuser mit den Nährstoffen aus diesem abgeschlossenen Wasserkreislauf.
Was ist in 2 Jahren aus dieser kleinen Gemeinschaft geworden?
Die Besitzverhältnisse wurden mittlerweile vom Gericht entschieden, so dass das Erbe komplett dem ansässigen Tierheim zufiel. Da das Tierheim selber keine echte Verwendung für das Erbe hatte, konnte unser Verein "Imago-Zellen" die Finca übernehmen. Mit Unterstützung verschiedener Anwälte konnten wir die Eigentumsverhältnisse juristisch so organisieren, dass dieses Stück Land nie wieder in Privateigentum umgewandelt werden kann und auch gegen die moderne Form des Allmende-Raubs abgesichert ist. Aber auch die Vereinsmitglieder als natürliche Personen haben keinerlei Besitzrechte, sondern nur Nutzungsrechte unter den Förderbedingungen aus der Vereinsatzung.
Aber auch sonst ist viel geschehen. Wir leben als gleichberechtigte Menschen zusammen und haben keinerlei Hierarchien. Abstimmungen erfolgen immer auf Einstimmigkeit. Auch wenn diese Organisationsform im Entscheidungsfall durch viel Diskussionsbedarf oft schwierig war, so ist es uns immer wichtig, kein System zu etablieren, bei dem die Mehrheit wieder über eine Minderheit bestimmt. Wir wollen keine Gleichmacherei, aber gleiche Chancen und gleiche Rechte, d.h. soviel Kollektivität wie nötig und so viel Individualität wie möglich. Wir kümmern uns daher gemeinsam um alle nötigen Belange und dennoch hat jeder von uns so sein spezielles Steckenpferd.
CräuterChris z.B. widmete sich vor allem dem Anbau von Obst, Gemüse und Kräutern. Dabei wurde viel auf Aspekte der Permakultur und natürliche Kreisläufe zurückgegriffen. Unsere Selbstversorgung mit Obst und Gemüse war schnell komplett gesichert und die Überschüsse wurden weiterhin verschenkt oder gingen in verschiedene Tauschringe. Chris langjährige Erfahrung in der Kräuterkunde versetzte uns in die Lage natürliche Heilmittel und Tinkturen herzustellen und im OnlineShop zu vertreiben. Ökohippie hat schon vorher viel mit der Herstellung natürlicher Wasch- Spülmittel, Seifen, Cremes und Salben experiementiert. Heute können wir dadurch den größten Teil unseres Verbrauchswasser sinnvoll für die Gärten nutzen, statt es der Kanalisation zuzuführen.
Ökohippie arbeitet als Musik- und Klangtherapeutin. In Zusammenarbeit mit ihrem alten Arbeitgeber der Diakonie besteht ein Austauschprogramm. Wir haben ständig 1-2 geistig und/oder körperlich behinderte Menschen auf der Finca, die zur Kurzzeittherapie oder einfach nur auf Urlaub einige Wochen bei uns verbringen und mit uns leben.
CrowFoot hatte bereits vor der Vereinsgründung mehrere Bienenvölker und ist ein hervorragender Hühnerzüchter. Gemeinsam mit BioRocker kümmert er sich auch um die Zucht der Tilapia´s in den Aquaponic-Anlagen. BioRocker experimentiert schon seit dem Bau der Gewächshäuser viel Re- und Upcycling herum, was sich heute auch in alternativen Bauweisen wiederfindet. Neben einer Jurte, einem großen Erdkühlschrank und einem kleinen WohnDome wurde auf einer Terrasse ein Gebäude ähnlich dem Earthship-Prinzip errichtet.
Die Anzahl der festen Mitbewohner ist von 4 auf 12 gestiegen. Als erstes bekamen Ökohippie und BioRocker ihr erstes gemeinsames Kind. Dann stieß die 35 jährige Gartentherapeutin zu uns und etwas später kamen zwei alleinstehende Renterinnen dazu. Eine Dame aus Spanien und eine aus Österreich, die heute mit CräuterChris zusammen ist. Für die Dacharbeiten suchten wir einen Handwerker mit Fachkenntnissen und lernten einen 28 jährigen Zimmermann aus Holland kennen. 6 Monate danach zog er als festes Mitglieder des Vereins ebenfalls auf die Finca. Durch die Kooperation mit sozialen Trägern in Spanien und Deutschland leben ein körperlich Behinderter Herr und eine geistig behinderte junge Frau fest in unserem Kreis und seit kurzem auch ein 5 jähriges Pflegekind.
Wir haben in den letzen 2 Jahren viel umgesetzt. Aber auch unsere Tiere, vor allem die Hunde vom Tierschutzverein, die nur zu oft eine grauenvolle Vergangenheit hatten, brauchen unsere Pflege, aber vor allem auch Zuwendung. Ein Fördermitglied aus Berlin - die Hundeflüsterin - kümmert sich um die Vermittlung an tierliebe Halter und organisiert Pflegepartnerschaften. In den Zeiten wenn sie Vorort ist, arbeitet sie mit den Hunden, kümmert sich um die Relativierung traumatischer Defizite und bildet die Hunde nach ihren jeweiligen Fähigkeiten aus. Im Augenblick entwickeln wir therapeutische Angebote zwischen Tier und Mensch.
So oder ähnlich könnte unsere Vision, unser Traum von einer Gemeinschaft aussehen. Die Finca existiert, die 4 möglichen Gründungsmitglieder ebenfalls.