Es reicht!
über KenFM, Mahnwachen und Querfront
Ein Kumpel war am 1.10. vor dem Kanzleramt und ein anderer hat mir heute das Video geschickt, mit der Rede von Ken Jebsen.
Was ich von Jebsen halte, dessen bin ich mir selbst nicht sicher. Ich denke, es ist aber auch okay, mal keine vollumfängliche Meinung über eine Person oder ein Thema zu haben.
Ich kenne ihn noch von Radio Fritz, als Radiofritzen am Morgen fand ich ihn mit Tommy Wosch ganz witzig. Seine Sendung KenFM war gar nicht mein Fall… die vorgestellten Bands waren meist Scheiße und die Interviews waren durch sein exzessives Gelaber fast immer uninteressant… fand ick jedenfalls.
Erst als er beim RBB flog und seine Sendung KenFM ins Internet verlegte, habe ich ihn intensiver verfolgt. Es gibt sehr gute Interviews, die er geführt hat und ich finde er stellt nicht nur die richtigen Fragen, sondern Jebsen ist auch ein viel besserer Zuhörer geworden. Da kann man sich durchaus eine 2,5 Stunden Diskussion reinziehen. Jebsen macht gute und interessante journalistische Projekte im Netz.
Aber immer wenn Jebsen in irgendeinem Kontext über den Mainstream, oder embedded journalism spricht, meine ich, spürt man die Kränkung, die ihm der Mainstream und der RBB nach fast 25 Jahren verpasst haben… die letzten Sätze seiner Rede sind dafür beispielhaft "...erzählt euch gegenseitige eure eigene Geschichte, dann habt ihr keine Zeit, die Geschichte anderer zu zerstören. Hehe... ick meine, ick finds generell gut, was er macht und ich finde ihn in der Rolle des freien Journalisten viel besser und hier passt auch seine Schlagfertigkeit und seine Lautstärke…
Aber auch in dieser Rede sind seine Argumentationsketten und Gedankenloops wieder ziemlicher Kauderwelsch von einäugigen und kurzsichtigen Pauschalurteilen mit vielen Schlag- und Reizworten. Vielleicht ist es auch nötig, um ein „breites“ Publikum anzusprechen?! Aber in dem ganzen Wust an Kritik, gefällt mir seine Quintessenz. Er führt seine Zuhörer zu sich selbst zurück… zu Empathie und Kooperation. Fangt bei euch selber an - macht bei dem Scheiß nicht mehr mit – Stefan Weidner drückte es in einem Liedtext so aus:
…wenn ihr etwas ändern wollt,
fangt bei euch an.
Das hier ist euer Erbe,
doch wenn's euch nicht gefällt,
dann werdet bess're Menschen
und ihr kriegt ne bess're Welt.
Wahrnehmung ist aber so ein unberechenbares Ding. Was von den 26 Minuten nimmt der Zuhörer auf und wie versteht er es? Wahrscheinlich gingen Viele von der Demo nach Hause und beschäftigen sich mit Reichsbürger und freier Energie oder sind auf den Spuren von Infokrieger unterwegs.
Ja und genau in diesem Kontext hat Jebsen auch wieder recht… die Leute sind friedlich beschäftigt, und stellen wenigstens den Status Quo in Frage. Immer noch besser als den normalen Wahnsinn einfach weiterhin mit zu machen und den medialen Feindbildern aufzusitzen.
Oder eben wie die Montagsmahnwachen… ich war 2014 mehrmals dort und wenn man ins Gespräch kam, hörte man echt viel Dünnschiss und platte Phrasen… aber letztendlich sind auch diese Leute friedlich… nur die Frage ist wie lange noch?
Denn, dass die Montagsmahnwachen nach rechts offen sind, finde ich nämlich bedenklich. Aber dass Jebsen Teil einer Querfront sein soll, liegt wohl eher an seiner Persönlichkeit, als dass es eine Tatsache ist. Ich hätte mich an Jebsens Stelle viel eher von Compact und Elsässer distanziert oder mich erst gar nicht auf diese Spinner eingelassen. Meines Erachtens braucht man nicht viel Feingefühl, nur etwas Restverstand um zu erkennen, aus welcher Richtung der Wind bei Compact weht.
Die deutsche Historie zeigt deutlich, welche Gefahren in einer Querfront liegen und die Rechte Szene forciert diese Querfrontaspekte seit Jahren. Der Neonazi trägt schon lange nicht mehr Glatze und Bomberjacke. Denn Kleidung ist auch ein politisches Statement und wenn Neonazis heute wie der schwarze Block auftreten, gilt es die Unentschlossenen mit diesem Modetrend für sich zu gewinnen, aber es ist auch der aktive Versuch den politischen Gegner zu assimilieren und eine Querfront zu bilden.
Man darf aber auch nicht vergessen, dass das mediale Querfront-Gelaber auch von der anderen Seiten seinen Zweck erfüllt. Damit spart man sich jegliche Auseinandersetzung und kann mit Schlagworten einzelne Personen und ganze Gruppen sehr einfach diskreditieren. Die Antisemitismus-Vorwürfe gegen Jebsen haben meines Erachtens genau diese Grundlage. Die Vorwürfe sind schlicht und einfach konstruiert, um sich mit seinen Fragen und Kritiken nicht mehr auseinandersetzen zu müssen. So drängt man unbequeme Zeitgenossen in eine Ecke, in die sie gar nicht gehören.
Was heißt das alles letztendlich für den Einzelnen? Ganz einfach, Hirn einschalten, selber denken und vor allem folge niemanden, machen keinen zu deinem Führer und wenn er noch so gut spricht. Genau in diesem Tenor verstehe ich auch Jebsens Rede vor dem Kanzleramt.
Fans und wohlwollende Zuhörer von Jebsen sollten sich aber auch deutlich machen, wer da spricht. Er war fast 25 Jahre Radiomoderator im Mainstream, den er heute anklagt und bezeichnet sich jetzt als freier Journalist. Aber ob er eine journalistische Ausbildung hat, ist mir nicht bekannt. Ich weiß nur, dass er gelernter Zimmermann ist und durch ein Moderatoren-Casting zum Radio kam. Aber eine abgeschlossene Ausbildung ist auch kein Qualitätsnachweis. Doch wenn man Jebsens journalistischen Aktiven auf das wesentliche herunterbricht, dann bleibt er auch als Kritiker weiterhin Bestandteil des etablierten Systems. Er ist zwar raus aus dem Mainstream, bedient ein Nischenpublikum und finanziert sich über Crowdfounding, vergisst aber auch in dieser Rede nicht die Eigenwerbung. ^^
Ich finde diesen Artikel kann man super mit "Freiheit in Ketten - von Erich Mühsam" abschließend beenden.