Was ist ein Refugium

und warum sind Refugees welcome?

Duden, Fremdwörterbuch und Herkunftswörterbuch sind seit Jahren meine Lieblingswerkzeuge, um unserer Sprache immer wieder etwas mehr auf den Grund zu gehen. Denn es ist mitunter sehr interessant Herkunft, Gebrauch und Be-Deutung unserer Worte nachzuschlagen und im Wandel von Kultur und Zeit zu betrachten.

Wahrscheinlich hat mich die „Flüchtlingskrise“ und Refugee´s veranlasst, schon vor einigen Monaten dem Wort „Refugium“ nachzugehen.
Schließlich gibt es in meiner Familie mindestens in 3. Generation Flüchtlinge. Meine Mutter war noch zu klein, um sich an ihre Flucht im 2. Weltkrieg bewusst erinnern zu können. Und da meine Großeltern nie über den Krieg sprachen und auch kaum Fragen beantworteten, weiß ich recht wenig über diese Zeit. Aber ich weiß, dass auf der Flucht zwei Geschwister verstorben sind und mein Opa als junger Wehrmachtssoldat 5 Jahre in russischer Kriegsgefangenschaft war. Ich will mir gar nicht ausmalen, welches Leid den Menschen damals wiederfuhr und begegnete.
Ähnlich ist es heute mit den Flüchtlingen… und dabei ist es egal, ob es Kriegsflüchtlinge aus Syrien sind, oder sogenannte „Wirtschaftsflüchtlinge“ aus einem völlig beliebigen Kackland. Denn es ist egal aus welchem Grund die Menschen heute flüchten, wenn ich mir nur überlege, welche Entfernungen und gefährlichen Routen sie heute nehmen müssen…
 
Ich bin 1989 als vermeintlicher „Urlauber“ mit dem Zug nach Ungarn gefahren, um mich dann als „Zonen-Flüchtling“ von Nürnberg nach West-Berlin fliegen zu lassen. Meine Flucht war also im Vergleich zu den heutigen Flüchtlingen eine bequeme Zugreise mit bisschen Thrill an den Grenzen, aber der Rest war wie mit Dosenbier Cabrio fahren.
Doch ich will die Zeit im Wilden Osten nicht verharmlosen. Schließlich hätten mich die Grenzer auch abknallen können, als ich 1987 mit 1,8 im Turm über die Berliner Mauer geklettert bin. Denn nur 1 ½ Jahre später starb Chris Gueffroy, ein junger Mann in meinem Alter, nur wenige 100 Meter von dem Ort entfernt, an dem ich über die Mauer bin. Weil Chris der letzte Mauertote war, wurde eine Straße nach ihm benannt und immer wenn ich da lang fahre, werde ich auch daran erinnert, wie viel Glück ich eigentlich hatte.
Durch das juristische und exekutive Nachspiel meines Mauersprungs weiß ich, wie sich Psychoterror, Gummiknüppel und Arrestzellen anfühlen. Ich habe eine Ahnung von die Ohnmacht und Hilflosigkeit, einem System und seinen Schergen ausgeliefert zu sein. So dramatisch die Situationen damals für mich persönlich auch waren, es ist trotzdem kein Vergleich zu den heutigen „Wirtschaftsflüchtlingen“ aus sicheren Herkunftsländern. Denn im Vergleich zu den vielen jungen Männern aus Nordafrika, oder Afghanen… die heute nach Europa kommen, hatte ich eigentlich „alles“. Essen, Arbeit, warme Wohnung…. usw. usw. Ich hatte nur kein Bock mich in ihre sozialistischen Schablonen pressen zu lassen. Ich wollte die Welt mit eigenen Augen sehen und mich nie wieder für meine Neugier und meine Fragen einsperren lassen. Ich wollte frei sein… !
Aber muss man selber erst geflüchtet sein, um Flüchtlinge zu verstehen? Ein wenig Empathie sollte doch reichen. Denn bei „Flüchtlingen“ handelt es sich erst mal immer um Menschen… und kein Mensch verlässt seine Heimat, Haus, Familie und Freunde gerne und schon gar nicht, wenn er durch äußere Bedrohungen für Leib und Leben gezwungen wird. Ein Flüchtling ist eben kein Auswanderer!

Eigentlich ist es ganz einfach. Man stelle sich vor, die Islamisierung des Abendlandes funktioniert, so Allah will, und in 5 Jahren herrscht die Scharia in Deutschland. Wohin flüchtest du dann? Wem dieses Bild zu abgefahren ist, der stellt sich halt vor, dass beim nächsten Finanz-Crash die Staaten wie Dominosteine umfallen und Europa auseinanderbricht, mit der Folge von Bürgerkrieg und Faschismus, von Spanien bis Polen. Wohin flüchtest du dann? Wenn Horden von Idioten durch Stadtviertel und Gemeinden ziehen und wie Warlords über Leben und Tod bestimmen? Was wirst du noch mitnehmen wollen und können, wenn sich wieder faschistische Trupps um Haben und Sein oder nicht Sein kümmern? Krieg, Tod, Verfolgung sind immer nur die schlimmsten Bilder, die mit Flüchtlingen und Refugees verbunden werden und alle „Wirtschaftsflüchtlinge“ stehen schnell in der Kritik und außerhalb unseres Mitgefühls. Warum eigentlich?

Man versetze sich in die Lage von Vätern und Brüdern, die tausende Kilometer entfernt, illegale und unterzahlte Sklavenjobs auf spanischen Plantagen machen… um die Familien in der Heimat zu unterstützen. Vielleicht weil die Kinder Medikamente brauchen, oder es einfach nur ums tägliche Überleben geht?! Währenddessen greift der bewusste Konsument zu den super-günstigen Spar-Paprika, die genau diese Wirtschaftsflüchtlinge zum Sklavenlohn geerntet haben und macht sich dabei Sorgen um die Kultur des Abendlandes. ^^
Ich hab im TV gesehen, wie deutsche Nordseegarnelen morgens mit dem Flugzeug von Hamburg nach Tunesien geflogen werden, um dort von Frauen im Akkord per Hand geschält zu werden und mittags wieder zurück nach Hamburg fliegen… alles frisch aufn Tisch! Könnte man es diesen Arbeiterinnen verdenken, wenn die sich sagen: ich mach diese Kackarbeit nicht mehr, will kein Wüstensand mehr fressen und gehe lieber nach Europa. Dort gibt es frische Shrimps, schon fertig geschält. 
Ich kann aber auch die vielen jungen Nordafrikaner verstehen, die in Europa auf Bildung, Wohlstand und Freiheit hoffen. Die ganzen „sicheren Herkunftsländer“ sind ziemliche Kackländer, vor allem auch für junge Menschen…. Manche kommen nach Europa um hier zu studieren, während viele andere bereits vor ihrer Überfahrt wissen, dass sie sich als Dealer in der Illegalität verdingen werden. Ich kann die Jungs verstehen. Sie kommen nicht her, weil sie Dealer werden wollen, sie flüchten vor einer Perspektivlosigkeit die Schlimmer ist, als das Leben in den dunkelsten Ecken auf unseren Straßen.

Man braucht sich doch nur mal fragen: wie beschissen müsste mein Leben hier sein, dass ich mein letztes Hab und Gut verscherble, um mich auf eine lebensgefährliche Reise übers Mittelmeer zu machen? Der Leidensdruck dieser Menschen ist jedenfalls groß genug, um all diese Risiken einzugehen.

Letztendlich sind wir Menschen und keine Bäume, auch wenn wir Stammbäume haben. Wir haben zwei Beine und waren schon immer sehr beweglich. Vielleicht ist unsere globale Verbreitung als Spezies auch eine lange Geschichte der Flucht? Als unsere Vorfahren vor veränderten Umweltbedingungen flohen und immer wieder neues Land eroberten, auf der Suche nach einem Refugium… einem sicheren Ort, an dem man bleiben kann.

Damit bin ich wieder beim „Refugium“ angelangt. Die Nachschlagwerke hatten zur lateinischen Herkunft von „Refugee“ nicht viel Spannendes zu bieten. Es leitet sich von „refugere“ fliehen / zurückweichen ab. Im Englischen und Französischen hat sich die lateinische Stammform mit Refugee / Refugie erhalten.
Soweit so gut… und das Wort „Refugium“: ist heute eine veraltete Bezeichnung für den Zufluchtsort eines Individuums. Es wird aber auch auf Tiere und Pflanzen bezogen, besonders geschützte oder seltene Arten (Refugialraum).        
Auf Wikipedia hab ich dann noch ein Zitat aus dem Film „Lemony Snicket – Rätselhafte Ereignisse“ gefunden. Ich habe den Film bis heute nicht gesehen und dennoch geht mir dieses Zitat seither nicht mehr aus dem Kopf.


Refugium ist ein Wort, mit dem hier ein kleiner, sicherer Ort in einer unsicheren, beunruhigenden Welt bezeichnet wird. Etwa so wie eine Oase in einer Wüste oder eine Insel auf stürmischer See. Die Baudelaire-Kinder genossen den Abend in ihrem selbsterrichteten Refugium, doch tief im Herzen wussten sie, dass die beunruhigende Welt direkt vor ihrer Tür lag, eine Welt, das muss ich leider sagen, die mit zwei bedrückenden Wörtern beschrieben ist.



Keine Ahnung wie es dir geht, aber ich empfinde unsere Welt als unsicher und beunruhigend. Sicher, ich könnte mich selbst beruhigen und mir die Welt mit NLP schönreden oder mit Religion und Esoterik gerecht- und zurechtlügen. Aber die Welt verschwindet nicht, nur weil wir nicht hinsehen.
 
Wohin um Gottes Willen, kann man heute noch flüchten? Früher konnte man wenigstens noch in den Westen abhauen, heute muss man den Planeten wechseln, um dem Schwach- und Irrsinn zu entgehen. Unsere Welt ist die stürmische See und wir müssen uns unsere Insel selber schaffen… 

Mein Refugium ist für mich ein kleiner, sicherer Ort, an dem ich mit anderen Menschen den Abend wie die Baudelaire-Kinder genießen kann… vielleicht in einem selbsterrichteten Refugium und uns dennoch bewusst ist, dass die beunruhigende Welt direkt vor unserer Tür liegt. Egal mit welchen bedrückenden Worten diese Welt beschrieben ist. 

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